I THINK WE SEE THE SAME
Text zur Einzelausstellung, ODP Galerie Leipzig
LUNA HASER
Code und convenience
Lara Hampe
Ich glaube, wir sehen dasselbe.
Was wir zuerst sehen, sind die gehaltenen Hände. Unsere Berührungen sind vorsichtig, begleitet von einem Zögern – herbstfrisch manchmal, und anderswo pastell. Wir besitzen mehrere Hände, um diese Zäsur zu überwinden; auch kann es sein, dass uns mehrere Füße tragen. Man denkt, der Grund dafür läge in unserem Gewicht; doch sind es wirklich unsere Körper, die uns da begleiten? Diese Frage ist nicht eindeutig zu beantworten. Zwar stehen wir aktuell auf Pyjama, doch unser Umriss kommt eigentlich aus der Aufteilung einer Fläche, aus etwas wie Geometrie. Es wirkt, als wären wir in Gewänder geschlüpft und hätten den zugehörigen Körper gleich mitgebucht.
Man könnte leicht dem Wunsch einer Zuordnung verfallen, uns hierhin zu stecken oder dorthin, uns etwa in einem aufgeblätterten Album oder hinter einer Biografie zu vermuten. Menschen erkennen einander aufgrund ihrer Gesichter, sagt man so schlau. Doch wir lehnen uns gegen diesen Wunsch, jene Geschichte. Wir winkeln die Beine an, strecken die Hand zueinander aus, tasten.
So wie sich auch an uns heran getastet wurde, mancherorts blinkt eine Linie von Bleistift durch unsere großzügigen Flächen. Die Arbeit an uns ist geprägt durch schwungvolle Gesten, nicht zu verwechseln mit großen Tönen. Im Gegenteil hat man so uns und sich Raum gemacht, ganz zu Recht Platz geschaffen für’s Sitzen, Liegen, Umarmen. Manchmal stehen wir oder gehen, doch meist ist dies langsam der Fall. Wir schlafen sicherlich unter dem gleichen Dach. Der Begriff der Verwandtschaft lässt sich dehnen.
Ab wann wird ein Umriss zum Körper? Ab wann erkennt man die uns eigenen Züge? Unsere filigranen Züge verlaufen sich nach unten, teils in eine tiefgrundierte Landschaft hinein; hier ein Kirchturm, dort eine Parkbank, eine vermessene Fläche von Grün. Der Begriff der Verwandtschaft lässt sich dehnen. Der der Landschaft aber auch.
Man sagt: meine Freiheit hört da auf, wo die deine beginnt. Doch welche Codes befolgen wir im Zögern? Wann beginnt eine Berührung?
Ich glaube, wir sehen dasselbe oder doch: ich denke, wir sehen das gleich?
Untitled (Walking)
On Luna Haser's exhibition "Opposite is quiet".
Lara Hampe
Something is happening outside, too. An assertion? An overdue truth? We are in the outdoor pool, in the front garden, in the sunflower field. We are standing, we have our legs crossed, maybe we are about to leave. Here, take my hand. Hey, stop there.
Our contours clearly delineate us to the outside. It may be that we belong somewhere else entirely, it may be that we just slipped in here. Our clothes say nothing about that. Jeans and shirts, equally international and casual, we are always barefoot, and yet the occasion is solemn, the matter serious. Rain is coming, but we have nowhere to go.
We wait, we hold still. Maybe it's because we feel the gazes being directed at us. Or because people keep reaching out to us, while we are perhaps not yet so sure ourselves. Have we even drawn our own boundaries? And at what point does a grab actually become a pull?
If we were alone, we might behave quite differently, we might even scratch ourselves or crack our joints with pleasure.
The question is how alone we really are. The cat is there, the bird, the rubber animal. The tail of a rat, glimpses from the thicket. Secretly and emphatically we ask ourselves what we would actually be without them. The bees, the butterflies. Our elf ears. Do they come from a longing or a fabulation? Rather, we seem thrown into a situation that really needs to be explored. The tousled hedge is not unlike our hairstyle. We share the same colours, the same imprint of the crayon, the similar mixture of bunny glue and acrylic. The background shapes us along with it.
Outside, on the outskirts of town, in the catchment area. This very specific feeling. This just before.
Living with transport connections. Do strangers already greet each other here? Walking, we once
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heard, means missing the place. So we stop and look back.